Die Thesentür

Die Ablasskontroverse und der Beginn der Reformation

1516-17 wurde Johann Tetzel, ein dominikanischer Mönch und päpstlicher Beauftragter für Ablässe, von der römisch-katholischen Kirche nach Deutschland geschickt, um Geld für den Neubau der Basilika St. Peter in Rom einzutreiben. In der römisch-katholischen Theologie ist ein „Ablass“ ein Straferlass, da eine bereits begangene Sünde vergeben wird; die Kirche gewährt Ablass, wenn der Sünder beichtet und Absolution erhält. Wenn ein Ablass erteilt wird, bietet die Kirche einem Sünder Meriten aus ihrem Gnadenschatz an. Hierbei handelt es sich um eine Anhäufung von Verdiensten, den sie auf der Basis der guten Taten der Heiligen gesammelt hat. Diese Verdienste konnten ge- und verkauft werden.

Am 31. Oktober 1517 schrieb Luther an Albert, Erzbischof von Mainz und Magdeburg, um gegen den Ablasshandel zu protestieren. Seinem Brief fügte er eine Kopie seiner „Disputation zur Erläuterung der Kraft des Ablasses“ bei, die als 95 Thesen bekannt wurden. Hans Hillerbrand schreibt, dass Luther keine Absicht gehabt hätte, der Kirche feindlich gegenüberzutreten, sondern dass er seine Disputation als wissenschaftlichen Einwand gegen die Kirchenpraktiken sah. Der Ton der Schrift sei dementsprechend „eher prüfend als doktrinär“. Hillerbrand vermerkt auch, dass in mehreren Thesen, besonders in These 86, nichtsdestotrotz eine unterschwellige Kampfansage herauszulesen sei: „Warum baut jetzt der Papst nicht lieber St. Peters Münster von seinem eigenen Gelde als von der armen Christen Gelde, weil doch sein Vermögen sich höher erstreckt, als des reichsten Crassus Güter?“

Luther erhob Einspruch gegen eine Redensart, die Johann Tetzel zugeschrieben wird: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer in den Himmel springt!“ Er beharrte darauf, dass diejenigen irrten, die behaupteten, Ablässe würden Sünder von allen Strafen entbinden und ihnen Erlösung zugestehen. Vergebung könne nur Gott gewähren. Christen, so Luther, dürfen nicht nachlassen, Christus wegen solch falscher Zusicherungen zu folgen.

Laut einer Überlieferung Philip Melanchthons von 1546 schlug Luther noch am selben Tag einen Abdruck der 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg (Kirchentüren dienten seinerzeit als Anschlagtafeln) an – ein Ereignis, dass heute als Initialzündung für die protestantische Revolution angesehen und jeden 31. Oktober als Reformationstag gefeiert wird. Einige Wissenschaftler haben die Genauigkeit von Melanchthons Darstellung hinterfragt und angemerkt, dass kein zeitgenössischer Beweis dafür existiert. Andere entgegneten, dass solch ein Beweis nicht nötig sei, da zu Luthers Zeiten dies die übliche Art gewesen sei, einen Vorfall auf einem Universitätsgelände bekannt zu machen.

Die 95 Thesen wurden schnell vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt, gedruckt sowie vielerorts vervielfältigt und machten so die Kontroverse zu einer der ersten in der Geschichte, die von der Druckerpresse angefacht wurde. Innerhalb von zwei Wochen verbreiteten sich die Thesen in ganz Deutschland und innerhalb von zwei Monaten in ganz Europa.